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Mein Corona Escape

P&P: Meine Waffe gegen dröge Lockdown TV-Abende

photo by Tini one and only (2020)

von Tini one and only

Gerda und ich hatten schon immer ein Faible für Kostümierungen und dafür ein paar Stunden in eine andere Haut, Zeit oder Location zu schlüpfen – und mit Freunden zu feiern.

In Zeiten von Corona allerdings ist das soziale Eventmanagement –  sprich Partyleben –  so ziemlich auf der Strecke geblieben. Sicherlich ist das angebracht, aber es schlägt mir doch zusehends aufs Gemüt. Ich merke, dass ich grantig bin, sicherlich auch weil ich meine Freunde und gemeinsame Erlebnisse vermisse.

80´ties Party mit Gerda
(photo by Tini one and only)

Netflix und Co finde ich klasse – aber nachdem ich von Sex and the City über Desperate Housewives bis zu Downton Abbey alle Lieblingsserien zum dritten Mal konsumiert hatte (und Dialoge teilweise lautlos mitspreche), fragte ich mich, wieviel Binge-Kitsch ich noch vertrage.

„Wieviel Binge-Kitsch vertrage ich noch?“

Obwohl ich hart im Nehmen bin, musste dringend mal wieder ein wenig spannendes, eigenes Leben her. Denn reale Abenteuer sind zum totalen Luxus in Zeiten von Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren und Quarantäne geworden –  Reisen faktisch unmöglich.

Die gute Nachricht ist: wir schreiben 2020 nicht 2010 – viel hat sich getan in punkto Online-Kommunikation.

Wir haben heute Online Meetings und Homeoffice. Dank Zoom, Skype oder Jitsie sind die lieben Kollegen zum Greifen nah. Warum sollten wir also nicht die neuen digitalen Möglichkeiten für den persönlichen Benefit nutzen?

Im virtuellen VW Bus zum Reggaefestival nach New Mexico
(photo by Tini one and only)

Virtuell in andere Welten mit P&P

Neben Online-Escapespielen, die weniger die Phantasie als den Kombinationssinn anregen und Krimidinnern, die man auch mit Freunden online spielen kann, ist Pen and Paper mein Favorit:

Hier werden nicht nur Reisen zu fernen Kontinenten und in andere Jahrhunderte möglich – wir können selbst zum Hauptdarsteller in unserem eigenen Film werden.

Infos zu P&P:
Das Pen-&-Paper-Rollenspiel läßt Dich fiktive Rollen einnehmen und gemeinsam mit Deinen Mitspielern einen spannenden Plot erleben. Als Hauptspielmittel werden fast immer die namensgebenden Stifte und Papier eingesetzt, um die dargestellten Rollen auf Charakterbögen zu beschreiben. Während der Story werden Spielwürfel eingesetzt, um in kritischen Situationen den unberechenbaren Gott des Zufalls zwischen gemeinsamer Euphorie oder kollektiver Verzweiflung entscheiden zu lassen.

Das Pen-&-Paper-Rollenspiel läßt Dich fiktive Rollen einnehmen und gemeinsam mit Deinen Mitspielern einen spannenden Plot erleben. Als Hauptspielmittel werden fast immer die namensgebenden Stifte und Papier eingesetzt, um die dargestellten Rollen auf Charakterbögen zu beschreiben. Während der Story werden Spielwürfel eingesetzt, um in kritischen Situationen den unberechenbaren Gott des Zufalls zwischen gemeinsamer Euphorie oder kollektiver Verzweiflung entscheiden zu lassen.

Kann Dr. Watson den Fall lösen? – Foto by Tini one and only (2020)

Heute in Key West, morgen in London bei Sherlock Holmes

Die Welt von Pen and Paper ist groß. Wer im Internet recherchiert, findet Abenteuer im Bereich Sci-Fi, Mittelalter oder Vampiergeschichten.

Zu Beginn sind unsere Mitspieler ganz begeistert ins viktorianische London abgetaucht. Uns umgab ein Hauch Geschichte – im Wohnzimmer zog buchstäblich der Nebel aus der Themse auf – dort trieb auch schon mal die ein oder andere Leiche. Hier gab es wilde Geschichten mit Mord und Totschlag in der feinen Londoner Gesellschaft. Oder in den schummrigen Opiumhöhlen an den berüchtigten Docks. Aber Hauptsache stilecht und immer schön spannend und blutig.

Lass Deiner Verkleidungslust freien Lauf!

Als London zu klein für unsere aufstrebenden kosmopolitischen Geister wurde, wagten wir einen Ausflug als Pirates of the Caribbean. Schatzsuche ist schließlich auch etwas Feines!

Einmal Kapitän auf einem Piratenschiff sein! Wenn nur die Flöhe nicht wären….
(photo by Tini one and only)

Schnell wurden wir ein  eingeschworenes Reise-Team und wir verabredeten uns fast jeden Samstagabend zur Primetime virtuell, um wieder zu Stars im eigenen Film zu werden.
Mit Leidenschaft. Mit Emotionen. Mit jeder Menge guter Laune.

Der zurückhaltende stille IT- Spezialist avancierte zum unkontrollierbaren Schlägertypen, der zuhaut ehe er überhaupt den Mund aufmacht. Und die renommierte Harvardjournalistin wurde zur quirligen vorlauten Surfergöre.

Und: es ist durchaus reizvoll ein dreckbeschmiertes Gesicht mit angemaltem Dreitagebart zu haben und sich für zwei Stunden so zu verhalten, als hätte man am ganzen Körper Läuse und Flöhe – also in mein anderes Ich als Kombüsen Smutje zu schlüpfen.

Der Smutje hat es mit der Reinlichkeit nicht so…..
(photo by Tini one and only)

Einen komplizierten Mordfall aufzudecken, einen Freund aus den Fängen eines wahnsinnigen Professors zu befreien oder den Goldschatz einer versunkenen spanischen Galeone zu bergen, ist ein gelungener Abschluss eines P&P. Viel Spass hatten wir auch virtuell einige Stunden in einem netten südfranzösischen Hotelchen Urlaub zu machen und das blutdürstige Monster im Keller zu erledigen. Sind wir nicht alle gerne Helden?

Pure Vorfreude auf virtuellen Urlaub in Südfrankreich –
(photo by Tini one and only)

Von der Heldin zur P&P Autorin

Nach einigen Wochen P&P fühlet ich mich zusehends spielsicherer in neue Charaktere zu schlüpfen oder an neuen Schauplätzen zu sein. Das Teamwork funktionierte reibungsloser und Herausforderungen wie “ Skinny Norris macht Euch jetzt blöd an“ wurden routiniert mit „ich hau ihm direkt auf die Fresse“ beantwortet. Übrigens, ein hoher Punkte-Wert in Sachen „Schlägern“ oder „Faustkampf“ auf dem Charakterblatt macht es möglich und sorgt obendrein noch für einem höchst erquicklichen Aggressionsabbau. Und nicht zuletzt zu ausgelassener Stimmung bei den Mitspielern.

Karibische Abenteuer gemeinsam bestehen macht jede Menge Spass
(photo by Tini one and only)

Ich wurde mutig. Ich wollte mein eigenes Abenteuer schreiben, eigene Helden erfinden. Das bewährte P&P Team willigte freudig ein und staunte nicht schlecht, als plötzlich kein Spieler älter als 19 Jahre alt war. Ich ließ sie  tätowiert und großmaulig sein. Ihr einziger Lebenszweck sollte darin bestehen, auf die nächste große Welle zu warten und immer genug Biervorrat zu haben. Outfits waren extrem sommerlich zu halten, denn mein Abenteuer spielte ja auf den Florida Keys. Erstaunlich war, wie schnell und authentisch vier gestandene über 40-jährige Erwachsene zu schlechterzogenen, fluchenden Halbstarken mit kriminellen Ambitionen mutierten.

Ein selbstfabriziertes Charakterblatt für Pen&Paper (photo by Tini one and only)

Mittels altem VW Bus und ausrangiertem Fischerboot begaben wir uns auf Schatzsuche, natürlich nicht ohne ständige Bedrohung und Verfolgung durch ein russisches Killerteam. Als Drehbuchautor konnte ich Helden aus meiner Jugend wie Justus Jonas oder Lieblingsfeinde wie Biff Tanner aus Zurück in die Zukunft einbauen – was für allgemeines Gejohle sorgte.

Ein typisches Handout für die Schatzsuche auf den Florida Keys (photo by Tini one and only)

Da sich die Beteiligten in Ihren Rollen als Bad Boys und Surfergirls so wohl fühlten, haben wir nun bereits das zweite selbstgeschriebene Abenteuer gespielt. Unsere jungen ungeschliffenen Helden durften letzte Woche in der Wüste von New Mexico nach einem abgestürzten Ufo suchen. In Roswell ist der Erfolg einer solchen Mission ja nicht einmal so unwahrscheinlich. Als die Vier dann im Raumschiff allerdings auch noch Kryptonit als Allheilmittel von Corona fanden, schloss sich der Kreis. Für dieses Wochenende war der Corona Blues erfolgreich in die Wüste geschickt worden. Es lebe unsere Phantasie, sie lässt uns alles besiegen!

Happy together auf der Alienparty –
(photo by Tini one and only)

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